Transformationen
Werner Fenz, 2014
A group is a number of things or persons being in some relation to one another
Meint Roswitha Weingrill mit dieser lapidaren Feststellung die Gegenständlichkeiten, das soziale Leben generell oder bestimmte Systembereiche daraus? Vielleicht das Arbeitsumfeld, den Kegelabend, die Siedlung, den frühen Pendlerzug? Selbst wenn eine dieser Möglichkeiten stimmen sollte, bleibt die auf Anhieb gewichtigere Frage, was die Kunst damit zu schaffen haben könnte/ sollte, offen. Sie bleibt vor allem dann offen, wenn wir noch immer nicht nachjustiert haben sollten, dass sich das künstlerische Arbeitsfeld drastisch erweitert hat. In Zeiten wie diesen mehren sich radikale Stimmen, dass einzig und allein die Kunst es sei, die dem auf seinem Höhepunkt sich selbst repräsentierenden Neoliberalismus Paroli bieten könne. Selbst wenn man den Handlungen der Kunstschaffenden enorm viel zutraut, wären diese und ihr Arbeitsfeld – auf sich allein gestellt – überfordert. Nicht heißen soll diese Feststellung, dass keinerlei Berührungspunkte zwischen künstlerischen und gesellschaftlichen Phänomenen und Strukturen, deren Teil die Kunst immerhin ist, notwendig und in der Praxis längst vorhanden sind.
Je nachdem, auf welche künstlerischen Segmente wir unsere Blicke richten, taucht in größerem Ausmaß ein Verfahren auf, das wir durchaus noch immer als Realismus bezeichnen können. Mit der Beobachtung allerdings, dass sich der so charakterisierte Realismus verändert hat. Roswitha Weingrill legt beredtes Zeugnis dafür ab. Im Beitrag für die Literaturzeitschrift, eine aktuelle Transformation ihrer Arbeit within a lonesome group, taucht eine Reihe von kunstreflexiven Elementen auf. Die Farbfelder, ihre Erweiterungen und Verdichtungen scheinen in erster Linie auf eine mehr oder weniger hermetische Abstraktion ausgerichtet zu sein. Interessant wird das
Ergebnis freilich durch den ersten ausgeklügelten farbiges Pulsieren charakterisiert ist. Mit der Überführung in einen statischen seriellen Ablauf verändert sich der künstlerische Code, nicht jedoch sein Inhalt. Die Farb- und Formelemente können in ihrer Zusammensetzung einerseits
für geometrisches Vokabular und damit für Rastersysteme, andererseits für einen Begriff wie das Zusammenfinden stehen. Dieser mögliche Rezeptionsmechanismus funktioniert besonders dann, wenn wir bereit sind, uns nicht von engen Grenzen im visuellen Angebot einschränken zu lassen, um die künstlerische Zeichensetzung in ihrer Aussagekraft verfolgen zu können. Roswitha Weingrill ist eine begegnungsfreudige Künstlerin, die sich auf keine bestimmte gesellschaftliche Gruppe und auf keinen „Stil“ festlegt, was zur Folge hat, dass sie sich immer wieder unterschiedliche Zugänge zu Themen, die sie verhandeln möchte, und zu deren Darstellung, offenlässt. Als besonders bemerkenswert sind die hochdosierten Assoziationsketten festzuhalten, die es der Künstlerin ermöglichen, den Realismus auf eine Art und Weise auszuformulieren, dass er sich nicht in der Rolle des Abbilds erschöpft, sondern angedachte aktive Kommunikationskanäle zu öffnen imstande ist. Ein Vorgehen, bei dem die formale Komponente nicht die Rolle der Endfassung übernehmen, sondern eher Ausgangspunkt für Einsichten sein will. Wie in unserem Fall: Wir werden zurückgeführt bis zu Färbelungsplänen von Plattenbauten und deren dekorativer Umsetzung im slowakischen Košice, einer Stadt, in der die Künstlerin Artist in Residence war und sich in Gruppengesprächen mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Siedlungen Einblick in die Lebensbedingungen verschaffen konnte.
Werner Fenz