Roswitha Weingrill

Llaokoon, 2018

Samt, Karton, Futterstoff

Im übergroßen Pullover aus Samt „Llaokoon“ sind die titelgebende Figur der griechischen Mythologie und seine Söhne durch aufgerichtete Daumen ersetzt, um die sich tödliche Seeschlangen winden. In längerfristigen Ausstellungssituationen ruht die Arbeit auf einem Ständer, angezogen wandelt sie blind taumelnd einem komischen Maskottchen ähnlich im Raum umher.

Llaokoon

Phtalogrün und Spirulinaalgen zeigen in etwa den gleichen Farbton, ein mitteldunkles, kühles Grün. Das Pigment Phtalocyaningrün wurde 1928 zufällig in der schottischen Fabrik Scottish Dyes Ltd. entdeckt, als an der Stelle, wo die Emaillebeschichtung eines Gefässes abgebröckelt war, ein blauer Farbton am Eisen erkennbar wurde. Es wurde also industriell Im Gegensatz dazu ist die grüne Farbe der Spirulinaalgen nicht ihre primär genutzte Charaktereigenschaft. Aufgrund ihrer Nährstoffdichte werden die Algen oft als Superfood bezeichnet und als Nahrungsmittelergänzung genutzt. Während also Phtalogrün einen historisch-industriellen Hintergrund aufweist, kommen Spirulinaalgen aus einer Umgebung, in der Naturnähe im Vordergrund steht. Gleichzeitig werden aufgrund der Popularität des Algenpräparates hohe Produktionszahlen zur Gewinnmaximierung erforderlich, was wiederum eine industrielle Verarbeitung der Algen mit sich bringt.

In Gipsröhren gegossen, begegnen sich die beiden Stoffe in mehreren Schichten, vermischen sich in unterschiedlichen Graden, bilden Marmorschlieren oder aber reagieren miteinander etwa in blauen bzw. dunkelrot-bräunlichen Farbsprenkeln. Die Arbeit „multimasking“ befasst sich auf experimentelle Art und Weise mit der Nutzung der Begriffe Natur und Künstlichkeit.

Multimasking
Multimasking
Multimasking

Die Ausstellung "Tafelwald" bildet den Auftakt zum ganzjährigen Ausstellungsprogramm im KOMM.ST Lab Anger, das von Günther Friesinger und Roswitha Weingrill kuratiert wird.

Im Zug der steirischen Gemeindereform 2016 entwickelten sich zumTeil überrschaschend emotional geführte Diskussionen, Gespräche und Medienbericht über die umstrittene Verwaltungsreform. Verhandlungen von Identität in kleinen bis mittelgroßen steirischen Gemeinden brachten teilweise vorher nicht als wichtig befundene Abgrenzungen und Zugehörigkeiten zum Vorschein. Die grafische Serie “Tafelwald” verleiht Ortstafeln, grundsätzlich unbeseelten Objekten, menschliche Züge und Charaktereigenschaften, um der tiefen Emotionalität dieser Diskussion auf den Grund zu gehen.

 

 

Tafelwald
Tafelwald
Tafelwald
Tafelwald
Tafelwald

Ernst Kris und Otto Kurz veröffentlichen 1934 „Die Legende vom Künstler – Ein geschichtlicher Versuch“. Darin untersuchen sie die historischen Zuschreibungen an KünstlerInnen abseits von überlieferten Lebensläufen und verweigern sich dabei nicht dem Anekdotischen als Ausgangsmaterial, das sie einer genauen Analyse unterziehen. Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Herangehensweise der Untersuchung von Kris und Kurz verhält sich die Strategie der Arbeit von Roswitha Weingrill wie der Elefant im Porzellangeschäft – sie deutet Verbindungen an, die es so vielleicht gar nie gegeben hat, assoziiert frei und unbekümmert, lässt die Anekdoten in Pointen gipfeln. Entlang der Drehangelpunkte in den Biographien der Autoren von der Studienzeit unter Julius Schlosser über die Emigration nach England und die USA im Zuge des aufkeimenden Nationalsozialismus bis hin zur Psychoanalyse Marilyn Monroes durch Marianne Kris, der Ehefrau von Ernst Kris, schreibt sich die Arbeit in die Pinnwände im Eingangsbereichs des Instituts ein.
Im Wiener Belvedere befindet sich Franz Xaver Messerschmidts Selbstportrait mit dem Titel „Der Künstler, wie er sich lachend vorstellt.“ Ernst Kris’ Einordnung der Arbeiten Messerschmidts als Manifestation der Schizophrenie des Künstlers ist heute umstritten. Auffällig an der Formulierung des Titels ist, dass der Künstler sich sein eigenes Lachen vorstellt. Er bildet nicht sein Spiegelbild ab, sondern kreiert es aus seiner Vorstellung heraus. Die Kreidezeichnung auf der Flügeltafel zeigt den lachenden Mund der Büste des Barockbildhauers.

 

ERNSTOTTOKRISKURZ
ERNSTOTTOKRISKURZ
ERNSTOTTOKRISKURZ
ERNSTOTTOKRISKURZ
ERNSTOTTOKRISKURZ
ERNSTOTTOKRISKURZ
ERNSTOTTOKRISKURZ
ERNSTOTTOKRISKURZ

Im 17. Jahrhundert avancierte die Ananas (Ananas comosus bzw. Ananas sativus) zum Statusobjekt auf europäischen Fürstenhöfen. Geringe Transportfähigkeit und fehlende regionale Anbautechnik ließen die Ananas eine Seltenheit bleiben, was ihren Wert enorm steigerte. Zu repräsentativen gesellschaftlichen Anlässen wurde die Ananas gleich einem Modeaccesoire mitgeführt und präsentiert. Überstiegen die Anschaffungskosten der Frucht die eigenen finanziellen Möglichkeiten, konnte man das Angebot einer Mietananas in Anspruch nehmen. Später wurde die Ananas zu Symbol des übertrieben dekadenten Lebensstil der herrschenden Klassen im ausgehenden 18. Jahrhundert und kritisch in zeitgenössischen Karikaturen verarbeitet.


Der Kurzfilm „Piña de moda“ entstand während eines Aufenthaltes in Mexiko Stadt im Herbst 2016. Darin wird eine Ananas vor verschlossenen Eingangsportalen präsentiert und in Posen vorgeführt, die sich an Darstellungen barocker höfischer Gesellschaftsereignissse orientieren. Das Video wurde an verschiedenen Schauplätzen in Lomas de Chapultetepec gedreht, einem exklusiven Stadtviertel in Mexiko Stadt. Zahlreiche Überwachungskameras und Sicherheitspersonal schützen die Gegend vor aufdringlichen Blicken, was ohnehin schon durch massive Zäune und imposanten Toren erschwert wird. Anflüge von eurozentristischem Exotismus wirken hier mehr denn je deplaziert.

Kamera: Marlene Hausegger
Sounddesign: Fernando Pérez García, Maria Fernanda Otero Ángeles

Piña de moda
Piña de moda
Piña de moda
Piña de moda
Piña de moda

Verfolgt man Berichterstattungen über Hurricanes der südlichen (tropischen) USA, sieht man häufig Bilder von windverzerrten Palmen, an deren Biegen und Wehen man die Windstärke visuell ablesen können soll. Die häufigste Palmenart Floridas, Dictyosperma album, wird auch hurricane palm genannt. Grund dafür ist ihre Fähigkeit bei starkem Wind ihre Blätter fallen zu lassen, um schwerwiegende Beschädigungen am Stamm zu vermeiden. Dieser Sicherheitsmechanismus der Natur scheint auf den ersten Blick drastisch, schließlich sind es die typische Form der Blätter, an denen man (die gemeine Mitteleuropäer_in ihre) Palme als Wegweißer zum Strandparadies erkennt.

Was aber bleibt zu tun im Morgengrauen der Klimaerwärmung wenn die Natur ihre zerstörerischen Kräfte zeigt? In zahlreichen Ratgebern zum richtigen Verhalten im Fall einer nahenden Naturkatastrophe ist ein stabiler und sicherer Rückszugsort von zentraler Bedeutung. Den Sturm abzuwarten und auszusitzen, wenn die Kräfte der Natur Überhand gewinnen, ist hier die Devise. An eben diesen Rückzugsort möchte ich die hurricane palm mitnehmen, zweckdienlich platzsparend und möglichst faltenfrei zusammengelegt.

„How to fold a palm tree“ entstand im Rahmen der Sponsoring-Partnerschaft zwischen dem steirischen herbst und Gaulhofer Industrie-Holding. Am Ausgangspunkt dieser Arbeit steht die Videoaufzeichnung eines Impact Tests für Gaulhofer Fenster. Der globale Vertrieb der Produkte aus dem Werk in Übelbach bringt immer wieder neue Herausforderungen mit sich, in diesem Fall fordern die zerstörerischen Hurricanes des tropischen Floridas spezifische Standards ein. Der gezeigte Testaufbau simuliert einen Windstärkenbereich, bei dem nun zwar die Fensterscheiben standhalten, wahrscheinlich aber das Haus drumherum zusammenbrechen würde. Hier, an diesem Moment der ins scheinbar Absurde abgleitenden Sicherheitsbedürfnisse, setzt die Arbeit „How to fold a palm tree“ an.

How to fold a palmtree
How to fold a palmtree

Es gibt den Weg., 2016

Richard Kratochwill - Künstler und Kulturarbeiter

Kulturpolitik erfuhr in den letzten Jahren einen großen Bedeutungsverlust. Das ist auf finanzielle Rückschritte zurückzuführen und auf das auch davon offenbar überforderte Politikpersonal. An Richard Kratochwill, (Foto-)Künstler von österreichischem Rang und Kulturarbeiter in der Stadt Weiz (1953 –1989), wird deutlich, dass ein solider künstlerischer Zugang und eine sozialpolitische Verankerung auch abseits größerer Städte qualitativ hochstehende, neue Kunst etablieren kann.

Eine Ausstellung der Steirischen Kulturinitiative in Kooperation mit Forum Stadtpark gestaltet von Roswitha Weingrill. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

 

 

Es gibt den Weg.
Es gibt den Weg.
Es gibt den Weg.
Es gibt den Weg.

testing, 2015

universal indicators on balsa wood

Municipal wells have lost their former significance as centers of communication in public space. The once elemental
source of drinking water has been reinterpreted for water play: the basin and their designed shape are merely decoration,
automatic circulation pumps simulate a lively rippling. The project testing uses the fountains for its very own
and private purpose: various diagnostic and medical test strips dipped into the fountains react depending on the water
quality in different colors and deliver subtle, abstract images. In times of data being constantly collected in public space this project aims at forming a private database of colors and shades derived from public places as much as developing
alternative ways of painting and drawing.

testing
testing
testing
testing
testing
testing

container remainer, 2015

wood, used clothes, plastic bags

It is convenient to donate clothes we no longer use to charities and very often done with good intentions. Once inserted into collecting containers, we rapidly lose track the textiles given away. Between profitable resale and direct recycling it is still on debate whether donated clothing helps or prevents development of local industries. For the installation container remainer donated textiles remain wrapped in the plastic bags used for packing the up and are melted into the form of bricks. This way the donated clothing loses its original function and becomes unusable as a second skin. The resulting new material is also of limited use for construction and its value lost in the field of
tension between good intentions and possible consequences of very often Eurocentric development aid.

container remainer

weiss auf weiss, 2015

Die Klauberinnen vom Rabenwald

In the eastern part of Styria, a rural region of Austria, a talc mine lays hidden upon a hill. Still in use today, it has been excavating and processing the white mineral, which is used for a wide variety of purposes ranging from paper manifacturing, cosmetics and synthetic fibre processing. Untill the 1990‘s local women used to sort the rocks according to their degree of whiteness defining the quality of the product.This job was physically very hard, but constituting one of the few possibilities to get work for women outside of agriculture or family.

The research project started in 2013 when regional festival komm.st took place in Anger, a small town near Rabenwald, where the mine is. A research room to get in touch with former talc sorting women helpd to establish first contact. Over the course of two years I could conduct several interviews with former workers and gather information and photographic documentation to help preserve the memory of the female impact on styrian mining history. The collected data was than published in the book 'weiss auf weiss – Die Klauberinnen vom Rabenwald' combining text, photographic and graphic work set around the historic and contemporary conditions of female work in rural regions.

Published in cooperation with edition mono.

 

weiss auf weiss
weiss auf weiss
weiss auf weiss
weiss auf weiss
weiss auf weiss
weiss auf weiss
weiss auf weiss
weiss auf weiss